Der Bundesgerichtshof hat in einer weiteren Entscheidung zum Wechselmodell darüber entschieden, inwieweit das paritätische Wechselmodell als Umgangsregelung angeordnet werden kann, wenn ein Elternteil dagegen ist. Mit dem Begriff paritätisches Wechselmodell ist hier die genau hälftige Betreuung des Kindes gemeint.
Bei dem zu entscheidenden Fall sind die Eltern seit längerer Zeit geschieden und das Kind lebt überwiegend bei der Mutter. Die Eltern haben sich in der Vergangenheit über den Umgang so verständigt, dass das Kind alle 14 Tage über das Wochenende beim Vater ist. Der Vater strebt nun eine hälftige Umgangsregelung an. Beide Eltern sind sorgeberechtigt. Die Mutter ist nicht dafür und möchte es bei der bisherigen Regelung belassen.
Der Vater hat einen entsprechenden Antrag beim Familiengericht eingereicht. Das Familiengericht und auch das Oberlandesgericht haben negativ entschieden. Die vom Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde hatte dagegen Erfolg, sodass die Sache neu entschieden werden muss.
Der Bundesgerichtshof hat diesen Fall dazu genutzt, um weiter Klarheit beim Wechselmodell zu schaffen. Da das Wechselmodell nicht im Gesetz vorgesehen ist und es deshalb auch keine gesetzlichen Vorgaben gibt, sind rund um diese Betreuungsart viele Fragen offen und damit viele Probleme ungeklärt. Umso wichtiger ist es, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung hier wieder einmal die Gelegenheit hatte einige Fragen zu klären.
Das Gericht macht deutlich, dass nach § 1684 Abs. 1 BGB das Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil hat und jeder Elternteil zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt ist. Gemäß § 1684 Abs. 3 Satz 1 BGB kann das Familiengericht über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung, auch gegenüber Dritten, näher regeln.
D.h. also, dass das Gericht auf Antrag eines Elternteils eine Entscheidung treffen muss und es nicht ausreicht die Bedenken eines Elternteils zur Kenntnis zu nehmen und den Antrag schon aus diesem Grund abzuweisen.
Weiter für das Gericht aus:
Das Gesetz enthält keine Beschränkung des Umgangsrechts dahingehend, dass vom Gericht angeordnete Umgangskontakte nicht zu hälftigen Betreuungsanteilen der Eltern führen dürfen. Vom Gesetzeswortlaut ist vielmehr auch eine Betreuung des Kindes durch hälftige Aufteilung der Umgangszeiten auf die Eltern erfasst. Zwar orientiert sich die gesetzliche Regelung am Residenzmodell, also an Fällen mit überwiegender Betreuung durch einen Elternteil bei Ausübung eines begrenzten Umgangsrechts durch den anderen Elternteil. Dies besagt aber nur, dass der Gesetzgeber die praktisch häufigste Gestaltung als tatsächlichen Ausgangspunkt der Regelung gewählt hat, nicht hingegen, dass er damit das Residenzmodell als gesetzliches Leitbild festlegen wollte, welches andere Betreuungsmodelle ausschließt.
Mit anderen Worten: Das Wechselmodell ist möglich und darüber muss auf Antrag im Umgangsverfahren entschieden werden.
Auch zum gemeinsamen Sorgerecht und dem Zusammenspiel mit dem Wechselmodell macht das Gericht erhellende Aussagen:
Dass ein Streit über den Lebensmittelpunkt des Kindes auch die elterliche Sorge und als deren Teilbereich das Aufenthaltsbestimmungsrecht betrifft, spricht jedenfalls bei Bestehen des gemeinsamen Sorgerechts der Eltern nicht gegen die Anordnung des Wechselmodells im Wege einer Umgangsregelung. Eine zum paritätischen Wechselmodell führende Umgangsregelung steht vielmehr mit dem gemeinsamen Sorgerecht im Einklang, zumal beide Eltern gleichberechtigte Inhaber der elterlichen Sorge sind und die im Wechselmodell praktizierte Betreuung sich als entsprechende Sorgerechtsausübung im gesetzlich vorgegebenen Rahmen hält.
Es heißt, dass ein gemeinsames Sorgerecht einem Wechselmodell nicht entgegensteht, sondern im Umgangsverfahren geregelt und entschieden werden kann.
D.h. aber auch, dass ein gemeinsames Sorgerecht nicht die Bedingung für ein Wechselmodell ist, sondern ihm nicht entgegensteht. Auch wenn der Vater nicht Inhaber des Sorgerechts ist, kann er einen Antrag beim Gericht auf Regelung des Umgangs in Form des Wechselmodells stellen.
Das Gericht stellt wiederholt und unmissverständlich klar, dass oberster Anknüpfungspunkt das Kindeswohl ist, das vom Gericht nach Lage des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen ist.
BGH: Das Wechselmodell ist anzuordnen, wenn die geteilte Betreuung durch beide Eltern im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl im konkreten Fall am besten entspricht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Wechselmodell gegenüber herkömmlichen Umgangsmodellen höhere Anforderungen an die Eltern und das Kind stellt.
Ist die Beziehung der Eltern so konfliktbehaftet, dass diese keine gemeinsamen Entscheidungen treffen und nur noch unzureichend kommunizieren können, scheidet ein Wechselmodell aus.
Mit dem praktizierten Wechselmodell lebt das Kind im Grunde in zwei Haushalten und in zwei Lebensumgebungen. Absprachen sind daher notwendig.
Auch wichtig:
BGH: Dem Kindeswohl entspricht es dagegen regelmäßig nicht, ein Wechselmodell zu dem Zweck anzuordnen, diese Voraussetzungen erst herbeizuführen.
Das Gericht macht ganz klar, dass ein Mindestmaß an Kommunikation und Verständigungsbereitschaft erforderlich und Voraussetzung ist für ein Wechselmodell. Erst wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, kann über ein Wechselmodell entschieden werden.
Wesentlich ist zudem der vom Kind geäußerte Wille. Dabei ist diese Äußerung des Kindes umso höher zu gewichten, je älter das Kind ist.
Wichtig in dieser Entscheidung ist auch nochmals die Benennung der Aufgabe des Familiengerichts im Umgangsverfahren:
BGH: Das Familiengericht ist im Umgangsrechtsverfahren zu einer umfassenden Aufklärung verpflichtet, welche Form des Umgangs dem Kindeswohl am besten entspricht. Dies erfordert grundsätzlich auch die persönliche Anhörung des Kindes.
Das Oberlandesgericht hat das Kind nicht angehört, da es der Auffassung war, dass ein Wechselmodell nicht im Rahmen eines Umgangsverfahrens angeordnet werden kann. Dies hat der BGH anders gesehen und aufgrund der zwingenden Kindesanhörung die Sache zurückverwiesen.
Die Sache muss nun unter Vorgabe diese BGH-Entscheidung neu entschieden werden.
Beschluss des BGH vom 1. Februar 2017 – XII ZB 601/15